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Minutengenaue Abrechnung eines Nachtarbeitszuschlages eines Autobusfahrers

Erstellt am 23.08.2024

Minutengenaue Abrechnung eines Nachtarbeitszuschlages eines Autobusfahrers

OGH vom 24.04.2024, 9 ObA 86/23x

Kollektivvertrag für private Autobusbetriebe

So entschied der OGH:

Sieht ein Kollektivvertrag vor, dass Nachtstunden in der Zeit von 24 Uhr bis 5 Uhr mit einem Zuschlag von 100 Prozent des kollektivvertraglichen Stundenlohnes zu bezahlen sind und beginnt der Dienst eines Arbeitnehmers regelmäßig um 4:42 Uhr, so steht dieser Zuschlag jeweils für 18 Minuten zu.

Die Notwendigkeit minutengenauer Abrechnungen ist jedenfalls kein Argument gegen die Gewährung eines Zuschlags auch bei Leistungen unter einer Stunde und ist letztlich auch bei Leistungen über einer Stunde und Abrechnungen entsprechend den oft nach Minuten getakteten Fahrplänen ohnehin unvermeidbar.

Die Bestimmung 2.b. der Lohnordnung ist jedenfalls eigenständig auszulegen. Da sie selbst keine Mindestdauer für eine Zulage vorsieht und es auch sonst keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Kollektivvertragsparteien eine Mindestdauer vorsehen wollten, stehen die Zuschläge nach Punkt 2.b. für Dienstleistungen im Gelegenheits- und Linienverkehr zwischen 24:00 Uhr und 5:00 Uhr unabhängig von einer Mindestdauer der in dieser Zeit erbrachten Dienstleistung zu.

Anmerkung:

Nach einer anderen Bestimmung in diesem Kollektivvertrag, nämlich in Punkt III 2 lit k 2 des KV für Arbeitnehmer in privaten Autobusbetrieben gibt es eine Definition von Nachtarbeit. Als Nachtarbeit gilt demnach jede Tätigkeit, die in der Zeit zwischen 0.00 Uhr und 4.00 Uhr den Zeitraum von einer Stunde überschreitet“.

Diese Regelung ist eine nach § 14 Abs. 4 AZG zugelassene kollektivvertragliche Option, mit der bestimmte in § 14 Abs. 1 bis 3 AZG verankerte Arbeitnehmerrechte durch Kollektivvertrag zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgeändert werden können.

Anders formuliert: diese KV-Regelung hat mit der KV-Regelung betreffend Zuschläge überhaupt nichts zu tun.

Der Arbeitgeber weigerte sich, diese Zuschläge zu bezahlen, weil er meinte, dass die tägliche Nachtarbeit hier nie über eine Stunde hinausging. Der OGH war anderer Ansicht, wie man sieht.

Soweit ersichtlich handelt es sich hier um das erste höchstgerichtliche Urteil, welches minutengenaue Abrechnungen auch von Zuschlägen thematisiert.

Die Aussagen dieses Urteils sehe ich nicht unbedingt auf den vorliegenden Kollektivvertrag beschränkt. Daher ist es in der Praxis umso wichtiger, klarzustellen, ab wann tatsächlich der Arbeitgeber verlangt, dass man arbeitsbereit sein muss, damit es nicht durch früheres Erscheinen des Arbeitnehmers und damit verbundenem frühzeitigen "Anstempelns" am Arbeitsplatz zu einem „Ziehen von Zuschlägen“ kommt. Im vorliegenden Fall war allerdings klar, dass der Dienst um 04:42 Uhr zu beginnen hatte.

Auf der anderen Seite ist es nicht unkritisch, wenn eine Zeiterfassung Bruchteile von Stunden nach unten hin korrigiert (also „abschneidet“).

Autor: Wilhelm Kurzböck