Erstellt am 22.10.2024
OGH vom 19.09.2024, 9 ObA 57/24h
§ 1159 Abs. 2 und 4 ABGB
So entschied der OGH:
Macht der vom Arbeitgeber unter Berufung auf die 14-tägige Kündigungsfrist des Pkt 21 lit a KV gekündigte Arbeitnehmer auf Basis der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 ABGB Kündigungsentschädigung geltend, so muss nicht der Arbeitgeber das Vorliegen einer Saisonbranche und damit die Rechtswirksamkeit der kollektivvertraglichen Regelung behaupten und beweisen.
Vielmehr trägt der klagende Arbeitnehmer im Prozess die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass in einer Branche Betriebe, die keine Saisonbetriebe sind, überwiegen und die kollektivvertragliche Bestimmung des Pkt 21 lit a KV daher wirkungslos ist, weshalb nicht die kürzere kollektivvertragliche, sondern die längere gesetzliche Kündigungsfrist zum Tragen kommt.
Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht die – gerade auch im konkreten Fall – mit dieser Beweisführung verbundenen Schwierigkeiten. Es ist jedoch nicht Aufgabe der – ordentlichen – Gerichte, unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern, sondern der Gesetzgebung.
Kann nicht festgestellt werden, ob eine Saisonbranche vorliegt (non liquet), dann trifft den diesbezüglich behauptungs- und beweispflichtigen Arbeitnehmer die Beweislast. In diesem Fall sind die gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine des § 1159 Abs 2 ABGB nicht als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen.
Praxisanmerkung:
Die Saisonkündigungswürfelspiele sind somit beendet.
Der „Beweiskreisel“ fiel auf das Arbeitnehmerfeld.
Hätte das die Gastronomie etwas früher gewusst, wie nun der OGH entscheiden würde, hätten wir heute wohl noch die 14 Tage Kündigungsfrist.
Ob das gerechter wäre und ob diese Saisonausnahme für Arbeiter überhaupt „gerecht“ bzw. noch zeitgemäß ist oder nicht doch der „Steinzeit-Staub“ aus dem Paragraphen rieselt, mögen andere entscheiden.
Dieses Debakel wird allerdings in die Rechtsanalen eingehen müssen.
Was eine „depperte“ Formulierung in einem Gesetz alles auslösen kann, auf welche Reise die „heiße Kartoffel“ geht, wieviele unnütze Stunden „verbrannt“ wurden mit Rechtsgutachten und Recherchen. Die Kuhhaut lässt grüßen, auf die das alles nicht mehr geht.
Das bedeutet nun für alle anderen Branchen (wie zB Güterbeförderungsgewerbe), dass die weiterhin kurzen Arbeiterkündigungsfristen in Stein gemeißelt sind, weil der einzelne Arbeiter wohl kaum die Möglichkeit hat, das Gegenteil zu beweisen. Der VfGH hatte ja vor dieser OGH-Entscheidung den „Pontius Pilatus“ gegeben (die Hände in „Unschuld“ gewaschen).
Der OGH beklagt nicht zu Unrecht den Dilettantismus, der hier betreffend die Gesetzgebung mehr als deutlich wird (und das beileibe nicht zum ersten Mal). Im Lohnbereich sprechen wir von einem Dauer-Deja-vu.